Bentazon im Trinkwasser von Ober- und Niedertiefenbach - eine unendliche Geschichte
Antrag für die Gemeindevertretersitzung am 23.04.2012
Die Fraktion der Bürgerliste beantragt, mit den Planungen für den Einbau eines Bentazonfilters unverzüglich zu beginnen und nicht das Ende der zweiten Fristverlängerung für die Heraufsetzung der Grenzwerte bis zum 01.09. 2014 abzuwarten.
Begründung:
Nach Darstellung der Gemeindeverwaltung Beselich, wurden erstmals Anfang Juli 2008 erhöhte Bentazonwerte im Tiefbrunnen III am Obertiefenbacher Kuhweg festgestellt. Bei mehreren Routinewasserproben im Sommer desselben Jahres wurden Werte zwischen 0,14- und 0,65 Mikrogramm Bentazon pro Liter gemessen. Der zulässige Grenzwert liegt lediglich bei 0,1 Mikrogramm pro Liter.
Zunächst wurde eine Ausnahmegenehmigung nach der Trinkwasserverordnung und somit die Heraufsetzung des Grenzwertes um das 10-fache, von 0,1- auf 1,0 Mikro-gramm pro Liter Wasser, beantragt und vom Gesundheitsamt des Kreisausschusses genehmigt, allerdings mit dem eindeutigen und unmissverständlichen Hinweis, dass dieses Trinkwasser nicht zur Herstellung von Babynahrung geeignet ist, und die Gemeinde verpflichtet ist, Nachforschungen über die möglichen Quellen bzw. Ursachen der Bentazonverunreinigung in die Wege zu leiten. Die Ausnahmegenehmigung wurde bis zum 01.09.2011 befristet.
Aufgrund der Tatsache, dass sich in den letzten 3 Jahren die Bentazonkonzentration im Mittel nicht signifikant vermindert hat, musste die Gemeinde erneut eine Verlängerung der Grenzwerthöherstufung beantragen. Dem wurde ebenfalls stattgegeben und die Frist endet nun am 01.09.2014. Danach ist eine Fristverlängerung nicht mehr möglich.
Informationen zum Pfanzenschutzmittel Bentazon
Von Malte Rößler Beselich 20.3.12
Nach Darstellung der Gemeindeverwaltung Beselich wurden erstmals Anfang Juli 2008 erhöhte Bentazonwerte im Tiefbrunnen III am Obertiefenbacher Kuhweg festgestellt. Aus diesem Brunnen werden die Ortsteile Ober- und Niedertiefenbach versorgt. Bei mehreren Routinewasserproben im Sommer desselben Jahres wurden Werte zwischen 0,14 m- und 0,65 Mikrogramm Bentazon pro Liter gemessen. Der zulässige Grenzwert liegt bei lediglich 0,1 Mikrogramm pro Liter. Hieraus ergab sich der Sachverhalt, dass der für Bentazon erlaubte Grenzwert im Trinkwasser um ein vielfaches überschritten wurde.
Was ist Bentazon und welche Auswirkungen hat es auf den menschlichen Organismus und unsere Umwelt?
Bentazon ist ein Pflanzenschutzmittel, genauer gesagt ein Selektiv- bzw. Kontaktherbizid gegen zweikeimblättrige Unkräuter. Es wird über Blätter und Sprossen der Unkräuter aufgenommen und hemmt ihre Photosynthese, indem es den Elektronentransport in den Pflanzenzellen unterbricht und dadurch die CO/2 – Assimilation stört. In der Landwirtschaft wurde Bentazon seit Anfang der 1970er Jahre hauptsächlich zur Bekämpfung von Unkräutern in Sommerweizen, Sommergerste, Hafer, Kartoffeln, Ackerbohne, Futtererbse, Sojabohne und Rotklee zugelassen.
1988 wurde der Gebrauch von bentazonhaltigen Pflanzenschutzmitteln durch eine Verschärfung des Grundwasserschutzes in Wasserschutz- und Heilwasser-schutzgebieten verboten. Dieses Verbot wurde erstaunlicherweise 1997 durch die zweite Verordnung zur Änderung der Pflanzenschutzanwendungsverordnung wieder aufgehoben, obwohl seit Anfang der 1990er Jahre in bundesdeutschen Grund- und Trinkwässern zunehmend Bentazon gemessen wurde. Mittlerweile kann man Pflanzenschutzmittel fast überall nachweisen: im Wasser, in der Luft, im Boden, in unseren Lebensmitteln, selbst im Fettgewebe von arktischen Eisbären. Aus Umwelt- und Gesundheitsgesichtspunkten ist deshalb jede Maßnahme wichtig, die jegliche Anwendung von Pflanzenschutzmittel reduzieren hilft.
Wie sich Bentazon langfristig auf den Menschen auswirkt kann man nicht zufriedenstellend beantworten, weil keine Langzeitstudien durchgeführt wurden und somit auch keine Daten und Fakten zur Verfügung stehen. Lediglich die direkte Exposition mit Bentazon ist bekannt ( Augen- und Lungenreizungen ). Anhand von Tierversuchen stellte man fest, dass Bentazon im Fettgewebe und Gehirn gespeichert wird, eine Schädigung des zentralen Nervensystems verursacht und die Blutgerinnung verändert. Dass besonders Säuglinge und Kleinkinder bei der Einnahme von mit Bentazon kontaminiertemTrinkwasser in hohem Maße gefährdet sind, sollte eigentlich jeder schlussfolgern; nicht so in Beselich.
Welche Maßnahmen und Lösungsstrategien wurden seitens unserer Gemeindeverwaltung eingeleitet?
Anstatt unsere Bürger über dieses Gefahrenpotential umfassend zu informieren und aufzuklären, beantragte der damalige Bürgermeister Rudersdorf beim Gesundheitsamt des Kreisausschusses zuerst einmal eine Ausnahmegenehmigung nach der Trinkwasserverordnung und somit die Heraufsetzung des Grenzwertes von 0,1- auf 1,0 Mikrogramm pro Liter Wasser. Das bedeutet, der Grenzwert wurde um das 10-fache nach oben gesetzt. Vergleichbar wäre die Anhebung der innerörtlichen Geschwindigkeit von 50 km/h auf 500 km/h die wohl jeder normal denkende Mensch als absurd empfinden würde.
Dem Antrag wurde mit Bescheid vom 22.09.2008 entsprochen; allerdings mit dem eindeutigen und unmissverständlichen Hinweis des Gesundheitsamtes, dass dieses Trinkwasser nicht zur Herstellung von Babynahrung geeignet ist, und die Gemeinde verpflichtet ist, Nachforschungen über die möglichen Quellen bzw. Ursachen der Bentazonverunreinigungen in die Wege zu leiten. Die Ausnahmegenehmigung wurde bis zum 01.09.2011 befristet. Doch erst am 08.12.2008, fünf Monate nach den ersten alarmierenden Wasserbefunden, sah sich die Gemeindeverwaltung bemüßigt, den Sachverhalt im Beselicher Wochenspiegel zu veröffentlichen und anschließend Familien mit Säuglingen gesondert schriftlich vor der Nutzung des Wassers zu warnen.
Aus Sicht der Bürgerliste war dies ein skandalöser Verstoß gegen die Informationspflicht und ein leichtfertiger Umgang mit dem Anspruch unserer Bürgerinnen und Bürger auf Gesundheitsschutz. Aufgrund der Tatsache, dass sich in den letzten 3 Jahren die Bentazonkonzentration nicht signifikant im Mittel vermindert hat, musste die Gemeinde erneut eine Verlängerung der Grenzwerthöherstufung beantragen. Dem wurde ebenfalls stattgegeben und die Frist endet nun am 01.09.2014.
Herr Bürgermeister Müller behauptet in seiner Erklärung vom 28.09.2011, die monatlich gemessenen Bentazonwerte lägen „nur gering“ über dem zulässigen Grenzwert. Dem widerspricht die Bürgerliste mit aller Entschiedenheit. In dem von der Gemeinde veröffentlichten Meßprotokoll liegen die Werte im Mittel deutlich über 0,20 Mikrogramm pro Liter, welches einer Überschreitung des Grenzwertes von über 100% entspricht. Auf Nachfrage der Bürgerliste Beselich musste Bürgermeister Müller zugeben, dass die in 2009 ausgeübte Praxis, Mütter mit Säuglingen per Brief auf die Problematik gesondert hinzuweisen, ersatzlos eingestellt wurde. Auf Drängen der Bürgerliste hat der Gemeindevorstand diese Informationsrichtlinie wieder eingeführt.
Fazit!
Für Bentazon gibt es zu den Fragen:
- der Abbaumechanismen in Umwelt und Organismen
- der Langzeitwirkungen auf Umwelt und Organismen
- den spezifisch toxischen Eigenschaften
- und der Dosis-Wirkung Beziehungen
keine ausreichenden wissenschaftlichen Erkenntnisse und Daten.
Folglich kann die Relevanz für Mensch und Umwelt derzeit nicht gesichert beurteilt werden. Darüber hinaus fehlen Kenntnisse, wie sich Bentazon in niedriger Konzentration über einen längeren Zeitraum im Ökosystem auswirkt. Dieser mangelhafte Erfahrungs- und Wissensgehalt trifft im Übrigen auch auf die meisten anderen Pflanzenschutzmittel zu. Es ist deshalb auch nachvollziehbar, warum immer mehr Menschen die Selbstsicherheit und Reflexartigkeit, mit der die Behörden Unbedenklichkeiten äußern, als befremdlich empfinden und deren Wahrheitsgehalt und Ernsthaftigkeit zumindest in Zweifel ziehen.
Die Bürgerliste begrüßt die „ersten Überlegungen“ unseres Bürgermeisters zur Realisierung einer zusätzlichen Aufbereitungsanlage zur Elimination des Bentazon aus dem Trinkwasser des Tiefbrunnens III am Kuhweg. Hier sollten aber nach einem halben Jahr Überlegungsphase endlich auch mal Taten folgen, denn die Frist endet letztmalig am 1. September 2014. Bis dahin muss die Problematik gelöst sein, denn eine weitere Fristverlängerung wird es nicht geben.
Bis zum heutigen Zeitpunkt hat die Gemeindeverwaltung hinsichtlich der Erarbeitung von Lösungskonzepten und Präventionsstrategien allerdings noch keine nennenswerten Aktivitäten erkennen lassen. Die Kosten des Schadens wird wohl nicht der Verursacher tragen, sondern der Gemeinde, also letztlich dem Steuerzahler zufallen.
Die Bürgerliste Beselich wird dieses Thema weiter kritisch begleiten und auf eine schnelle Lösung des Problems drängen. Gesunde Lebensverhältnisse für unsere Bürgerinnen und Bürger, worunter auch einwandfreies sauberes Trinkwasser fällt, sind für uns nicht verhandelbar. Aus diesem Grund haben wir auch so kompromisslos und vehement gegen die Ansiedlung von Woolrec gekämpft. Die Bürgerliste ist stolz, Woolrec und somit auch das gefährliche Woolit von unserer Gemeinde abgewendet zu haben, zumal die Universität Gießen als auch das renommierte Fresenius-Institut Woolit als stark krebserzeugend eingestuft haben.
Wir „bleiben am Ball“ und werden Sie weiter über den Stand der Entwicklungen informieren.