Wahl 2011

Weilburger Tageblatt 28.3.11

Die SPD ist der große Wahlverlierer

Neue Wählergruppen punkten


Beselich. Die SPD ist der große Verlierer der Kommunalwahl in Beselich: Rund 18 Prozent büßen die Sozialdemokraten ein und sind künftig nur noch mit sechs Sitzen im Gemeindeparlament vertreten. Auch die CDU verliert Stimmen und Sitze (siehe Grafik). Aufgemischt wird die Gemeindepolitik von den beiden neuen Wählergruppen, der Bürgerliste und der "Neuen Mitte". Beide erringen fünf Mandate.


Obwohl die umstrittenen Ansiedlungspläne des Recycling-Unternehmens Wool.rec längst vom Tisch sind, hat das Thema bei der Kommunalwahl eine Rolle gespielt. Schon allein deshalb, weil sich aus dem Bürgerforum, das gegen die Ansiedlung vorgegangen war, die "Bürgerliste" entwickelt hat. Die neue Wählergruppe schaffte aus dem Stand 18,4 Prozent.

 

"Wir sind hoch erfreut über dieses Ergebnis. Mit so einem Prozentsatz hätten wir nicht gerechnet", sagte gestern der Vorsitzende der Bürgerliste, Malte Rößler. "Die Wähler haben unseren Kampf für die Verhinderung von Wool.rec honoriert", ist sich Rößler sicher. Außerdem habe sich die Wählergruppe für mehr Bürgernähe und Transparenz in der Kommunalpolitik eingesetzt - und offenbar auch damit bei den Wählern gepunktet. "Es war unser Anliegen, dass solche schwerwie-genden Entscheidungen wie im Fall von Wool.rec nicht hinter dem Rücken der Bürger getroffen werden", sagte Rößler.

 

Auch die "Neue Mitte Beselich", die aus der FDP/FWG-Fraktion hervor gegangen ist, hat bei der Kommunalwahl gepunktet. "Wir sind mit diesem Wahlergebnis hoch zufrieden", sagte Spitzen-kandidat Matthias Schenk. Im Vergleich zur früheren FDP/FWG-Fraktion hat die neu formierte Wählergruppe zwei Sitze hinzu gewonnen. "Wir haben uns mit neuem Personal breit aufgestellt", erklärt Schenk sich das gute Abschneiden der "Neuen Mitte".

 

Die Zugewinne bei den beiden neuen Wählergruppen gehen in erster Linie zu Lasten der SPD. "Die CDU hat offenbar eine stabilere Wählerschaft", vermutet Michael Jahn, Vorsitzender der SPD-Fraktion. "Es ist uns nicht gelungen, mit unseren Themen zu punkten", sagt Michael Jah. Das Ergebnis sei fraglos eine bittere Sache für die SPD. "Es ist uns offensichtlich nicht gelungen, mit unseren Themen und unserem Personal bei den Wählern durchzudringen." Im Gegensatz zur CDU, die sich im vergangenen Herbst relativ früh gegen die Ansiedlung von Wool.rec ausgesprochen hatte, wollten die Sozialdemokraten damals erst alle Fakten auf dem Tisch haben und die Entscheidung abwägen. Dieses Vorgehen hält Michael Jahn nach wie vor für richtig: "Ich plädiere immer noch dafür, dass die Gemeindevertreter erst alle Fakten kennen müssen, bevor sie entscheiden."

 

Trotz Verlusten zeigte sich der CDU-Vorsitzende Dieter Ludwig gestern mit dem Ergebnis zufrieden: "Wir sind mit Abstand stärkste Kraft geworden. Aber natürlich tut es uns weh, dass wir zwei Sitze verloren haben". Die Beselicher Christdemokraten hätten mit Einbußen gerechnet: "Es sind zwei neue Wählergruppen angetreten. Da war es klar, dass es Veränderungen geben würde".

 

Weilburger Tageblatt 28.3.11
Die Wähler machen den Leistungstest

Kommunalwahl im Überblick


Limburg-Weilburg. Diese Kommunalwahl war ein Leistungstest. Die Wählerinnen und Wähler haben die Politiker an ihren Taten gemessen und an ihrer Fähigkeit, die Bürger bei Entscheidungen mitzunehmen. Und überall dort, wo es Zoff gab - in Beselich, in Weinbach, in Limburg zum Beispiel - haben die Verantwortlichen die Quittung bekommen.


Da ist zunächst das Beispiel Beselich: Die SPD ist historisch abgewatscht worden. Minus 18,1 Prozentpunkte - das ist in Hessen Spitze. Die CDU wird sich über ihre Verluste von neun Prozent nicht wirklich freuen. Beide Großen, die die Beselicher Verhältnisse prägten, müssen Bürgerbewegungen Platz machen. Der Woolrec-Streit hat diese Entwicklung mit Sicherheit befeuert.

 

Auf lokale politische Konflikte gehen die Resultate in Limburg und Weinbach zurück- in Weinbach der interne Streit der SPD und die Auseinandersetzung um die Kita, in Limburg die Querelen um die Südumgehung. In beiden Fällen wird deutlich, dass die traditionell bevorzugten Parteien ihre Arbeit aus Sicht der Bürger eher schlecht als recht geleistet haben. Die Weinbacher SPD hat dem Minus von 7,2 Prozentpunkte zu arbeiten, die Limburger CDU an einem Minus von 10,2.

 

Die Gewinner waren in allen Fällen die Grünen. Sie waren vor allem in den Städten erfolgreich, etwas schwächer in den Gemeinden. In Bad Camberg, noch im Nachklang zur Bürgermeisterwahl, legten die Alternativen um 7,6 Prozentpunkte zu. Das Ergebnis (14,6 Prozent) wurde allerdings von den Limburger Grünen getoppt, die bei 15,3 Prozent landeten. Euphorisch gab sich nicht nur Spitzenfrau im Kreis, Jutta Lippe, gegenüber dem TAGEBLATT: "Wir waren platt, wir haben gestaunt und wir werden eine größere Verantwortung übernehmen und auch dort, wo es sie noch nicht gibt, neue Ortsvereine gründen."

Christdemokraten sind in fast allen Gemeinden die großen Verlierer der Wahl

Sieger waren aber nicht nur die Grünen. Auch die SPD hat sich in einer Mehrzahl der Kommunen stärker entwickelt. In Löhnberg, der traditionellen Hochburg, fehlten an der absoluten Mehrheit genau 18 Stimmen. Ein Mobilisierungserfolg: Löhnberg hat mit 57,7 Prozent auch die höchste Wahlbeteiligung. Den Vorwärtsgang hatten aber vor allem die Ortsvereine Elz (plus 6,8 Prozentpunkte) und Merenberg (plus sechs Prozentpunkte) eingelegt.

 

Als eindeutiger Verlierer steht die CDU fest: Bis auf Weinbach und Löhnberg, wo die Zugewinne marginal waren, ging es für die Christdemokraten auf Talfahrt. Das Schicksal der Freien Wähler hängt offensichtlich noch viel stärker als bei den klassischen Parteien von ihrer Leistung ab: Stabil und expansiv in Erscheinung getreten sind vor allem Brechen, Runkel und Weilmünster, aber auch Elz und Villmar. Andernorts - wie in Weilburg, Löhnberg oder Merenberg - mussten sie Federn lassen.

Nun sind die Karten neu und gut gemischt, neues Personal zieht in die Parlament - und damit beginnt auch die Debatte über neue politische Konstellationen. Das wird in den nächsten Wochen außerordentlich: Nicht nur im Kreis, dessen Ergebnisse noch nicht vorlagen, aber auch in Weilburg und in Beselich zum Beispiel.