Weilburger Lackfabrik will Produktionsstandort im Beselicher Gewerbegebiet errichten.
Nassauische Neue Presse – 20.02.2013
Beselich lockt Lacke an
EXPANSION Weilburger Coatings will ab 2014 an B 49 produzieren
Beselich/Weilburg. Zuerst war nur von einem "großen, renommierten Investor" die Rede, der Interesse an Beselich habe. Erst in der jüngsten Sitzung wurden die Gemeindevertreter konkret: Weilburger Coatings will ab 2014 auch in Beselich Lacke produzieren. Und das im großen Stil. Die Produktionshalle, die Weilburger Coatings bis Jahresende im Gewerbegebiet an der B 49 bei Obertiefenbach errichten will, soll eine Grundfläche von 5000 Quadratmetern haben - das entspricht ungefähr einem Fußballfeld. Die Produktion soll Mitte 2014 anlaufen. Das Unternehmen will nach eigenen Angaben 10 Millionen Euro in Beselich investieren. Und Arbeitsplätze schaffen. "Wir werden 2014 voraussichtlich mit 20 bis 30 Personen starten", sagt Geschäftsführer Frank Gläser. Zum Teil handele es sich dabei aber auch um Arbeitsplätze, die von Weilburg nach Beselich verlagert werden.
Noch ist das Geschäft zwischen der Gemeinde Beselich und Weilburger Coatings nicht in trockenen Tüchern, doch Beselichs Bürgermeister Kai Müller (parteilos) geht fest davon aus, dass es zustande kommt. Von den Gemeindevertretern ist er am Montagabend beauftragt worden, bis spätestens Ende März einen Kaufvertrag auszuarbeiten. Es geht um vier Hektar Gewerbefläche und die Option, später um zwei weitere Hektar zu vergrößern. Sollte Weilburger Coatings also in Beselich aufschlagen, wäre es der größte Investor im Investzentrum an der B 49. Das umfasst insgesamt 17 Hektar, sieben sind bislang bebaut sind, zehn sind noch zu haben.
Dass Weilburger Coatings in Beselich Großes vorhat, zeigt auch ein Vergleich mit dem Weilburger Standort. Dort forscht, entwickelt und produziert die Firma auf zwei Hektar - in Beselich geht es, wie gesagt, um vier. "Wir haben zum Glück viel zu tun und noch viel vor", sagt Unternehmenssprecher Michael Reifenberger. Verlassen wolle das Unternehmen Weilburg nicht, versichert er, sondern lediglich die Produktionskapazität erweitern. Und das sei am bisherigen Standort nicht möglich. Dort stoße das Unternehmen an seine Grenzen: auf der einen Seite an die Lahn, auf der anderen auf Berge. Deswegen machte sich Weilburger Coatings auf die Suche nach einem weiteren Produktionsstandort - am besten so nah wie möglich am Stammhaus. Die Wahl fiel auf Beselich. "Die Erreichbarkeit für schwere Lkw, die Anbindung an die B 49, die Nähe zur Autobahn - das sind unschlagbare Vorteile", sagt Geschäftsführer Gläser.
Die Stadt Weilburg hatte zuvor auch ein Areal angeboten: in Gaudernbach. Es ist eben, vergleichbar groß und wie Weilburgs Bürgermeister Hans-Peter Schick (parteilos) betont "sensationell günstig". Aber eben nicht so gut angebunden wie das Investzentrum Beselich. "Ich hätte es gerne gesehen, wenn sich Weilburger Coatings in Weilburg weiterentwickelt", sagt Schick. Aber auch dem Produktionsstandort Beselich kann er Positives abgewinnen. "Wenn es gut für das Unternehmen ist, ist es auch gut für Weilburg", sagt er. Und er erinnert daran, dass Forschung und Entwicklung im Stammhaus bleiben. "Das Herz bleibt in Weilburg, deswegen mache ich mir keine Sorgen", sagt er.
Bedenkenträger gab es auch am Montagabend nicht unter den Beselicher Gemeindevertretern. Die Fraktionen von CDU, SPD und Neue Mitte sprachen sich klar für die Ansiedlung im Investzentrum aus. SPD-Fraktionschef Michael Jahn sagte, er freue sich über das Interesse des Investors. CDU-Fraktionschef Theo Schneider formulierte es so: "Weilburger Coatings ist uns sehr willkommen." Jörg Diefenbach (Mitte) sprach von Arbeitsplätzen und Steuererträgen für Beselich.
Lediglich die Bürgerliste äußerte sich zurückhaltender. "Es gibt noch offene Fragen, die unserer Ansicht nach hätten geklärt werden müssen, bevor man beginnt, mit dem Investor einen Kaufvertrag auszuhandeln", sagt Norbert Bandur, Sprecher der Bürgerliste. Seine Fraktion wolle ausschließen können, dass von der Betriebsstätte Belastungen für Beselicher Bürger ausgehen.
Bürgerliste will ausschließen, dass der neue Betrieb die Bürger belastet
"Wir haben schon die Tage, an denen es nach Kompostwerk riecht. Wir brauchen nicht auch noch Tage, an denen es nach Lackfabrik riecht", sagt er. Nach den Erfahrungen
mit der umstrittenen Firma Woolrec, die vor drei Jahren mit eben jener Gewerbefläche im Investzentrum liebäugelte, sei Beselich ein gebranntes Kind. "Wir sind nicht gegen den Investor, aber wir
brauchen noch ein paar Fakten", sagt Bandur. Diese Fakten könnte er am 2. März erhalten. Dann wollen die Gemeindevertreter den Weilburger Betrieb besichtigen. Firmensprecher Reifenberger verweist
beim Thema "Belastungen" auf die Weilburger. "Unsere Weilburger Nachbarn mögen uns. Geruchsbelästigungen gibt es bei uns nicht", sagt er.
NNP-20.2.13-Coatings baut in Beselich.pd[...]
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Kommentar der Bürgerliste:
Am 13.2.13 erfuhren die Gemeindevertreter erstmals offiziell, um welchen Investor es sich handelt. Bereits 5 Tage später stimmten CDU, SPD und Mitte der Aufnahme von Verkaufsverhandlungen zu, obwohl noch einige Fragen zu einer eventuellen Belastung für die Bevölkerung geklärt werden sollten. Gleichzeitig gaben die Gemeindevertreter Herrn Rudersdorf von der Wirtschaftsförderung (WFG) den Auftrag, das Ansiedlungsverfahren der Lackfabrik zu begleiten. Dies wurde von CDU, SPD und Mitte damit begründet, dass Bürgermeister Müller überlastet sei, was angesichts der zwei neuen im letzten Jahr geschaffenen Verwaltungsstellen aber schwer nachzuvollziehen ist. Bisher wurden die Ansiedlungsverfahren jedenfalls immer von den amtierenden Bürgermeistern erledigt.
Es wird nicht bezweifelt, dass Herr Rudersdorf als ehemaliger Bürgermeister seinen Job in diesem Zusammenhang gut machen wird, aber es muss die Frage erlaubt sein, ob dieses Mandat nicht dennoch verzichtbar gewesen wäre, zumal vor der Abstimmung die Fragen zum Umfang und zu den erheblichen Kosten des Auftrags von den Gemeindevertretern nicht erörtert wurden. Schwer vorstellbar ist es daher, dass es der CDU, SPD und Mitte in der Kürze der Zeit überhaupt möglich war, eine gewissenhafte Prüfung vorzunehmen. Warum also dennoch diese vorschnellen Entscheidungen? Ein Investor bekommt ja nicht gleich kalte Füße, weil die Entscheidungsprozesse mal 14 Tage länger dauern.
In Anbetracht leidvoller Erfahrungen, die Beselich mit anderen Investoren in der Vergangenheit machen durfte, hätte ich eigentlich erwartet, dass CDU, SPD und Mitte sich künftig vor Entscheidungen intensiver mit dem Für und Wider einer Firmenansiedlung auseinandersetzen. Aber eher das Gegenteil scheint der Fall zu sein. Möglichst schnell alles schnell unter Dach und Fach bringen, scheint die Devise zu sein, bevor sich irgendwo Widerstand regen kann, wenngleich der im Fall der Weilburger Lackfabrik nicht zu erwarten ist. Gleichwohl wird von den Bürgern und Bürgerinnen genau registriert, wie ihre Mandatsträger die vielversprochene Transparenz grundsätzlich umsetzen.
Bernd Litzinger
Die BLB hat anlässlich der Betriebsbesichtigung der Weiburger Coatings 29 Fragen zusammengestellt, deren Beantwortung Sie hier downloaden können.
Kommentar zum NNP-Bericht „Coatings baut in Beselich“ am 20.02.2013
Es ist schon erstaunlich, dass Jörg Diefenbach (Neue Mitte) noch immer der Fa. Woolrec hinterher trauert und der Meinung ist, dass der Gemeinde Beselich durch die Diskussion über die Ansiedlungspläne und letztendlich durch die Verhinderung der Ansiedlung, ein Schaden entstanden ist. Ihm, der viele Kilometer von Geschehen entfernt wohnt, scheint in erster Linie der schnelle Verkauf der Grundstücke zu bewegen und nicht - wie am Beispiel von Woolrec - die berechtigten Ängste der Bürger, in räumlicher Nachbarschaft des Gewerbegebietes. Es sind sicher nicht viele, die seiner Meinung sind. Man kann nur hoffen, dass diese Meinung nicht Konsens in seiner Fraktion Neue Mitte ist. Offensichtlich hat noch nicht einmal das, was in den letzten Monaten aus aktuellen Anlässen über die Fa. Woolrec in den Medien berichtet wurde, bei ihm zu einem Umdenken geführt.
Norbert Bandur