Seniorenpolitik im Kontext des demographischen Wandels

Ausgangslage

 

Um die Probleme bei Versorgung und Unterstützung alter Menschen besser erfassen zu können, sind zunächst kurz einige allgemeine Anmerkungen zur Ausgangslage machen und schließlich den Blick auch auf die Entwicklung im Kreis Limburg Weilburg sowie Beselich zu richten.

 

Der einst von Bismarck eingeführte 3-Generationen-Vertrag ist zu einem 4- oder gar 5- Generationen-Vertrag geworden. Zu Beginn des letzten Jahrhunderts begann man im Durchschnitt mit 15 (!) Jahren sein Berufsleben und bekam Rente erst mit 70 Jahren, - sofern man dieses Alter überhaupt erreicht hatte, was ziemlich selten war.

 

Um 1900 war nur 2 % der deutschen Bevölkerung 70 Jahre und älter. Heute liegt der durchschnittliche Berufsanfang bei 25 Jahren, das Berufsende bei knapp 60 Jahren. Im Rentenalter sind nicht 2 %, sondern 26% der deutschen Bevölkerung.

 

In den vergangenen Jahrhunderten wurden alte Menschen also durch die Großfamilie aufgefangen, bzw. von der jungen Generation versorgt und gepflegt. Dies hat einen grundlegenden Wandel erfahren.

 

Heute stellen wir fest, dass die Kreisbevölkerung schrumpft, demgegenüber aber die Anzahl der über 65jährigen überproportional zunimmt: In Beselich wird sich die Anzahl der über 65jährigen auf 1102 Personen bis zum Jahr 2020 erhöhen.

 

Die Altersgruppe der über 85jährigen, die primär auf Pflegeleistungen ange- wiesen ist, nimmt beispielsweise bis zum Jahr 2020 um 20% zu. Über 52% der über 65jährigen sind jetzt schon alleinstehend, bei den über 70jährigen sind es bereits 60%.

 

Die Familie steht also immer weniger für die Versorgung der Alten zur Verfügung, was sich auch durch die seit Jahren zunehmende Erwerbstätigkeit der Frauen ergibt. Je älter die Menschen werden, desto höher der Anteil der an Demenz erkrankten Menschen. Ca. 25% der über 80jährigen sind davon betroffen. Die Mehrzahl der verwirrten alten Menschen wird von Angehörigen versorgt, die mit dieser Situation tendenziell überfordert sind. Aber nicht nur die Angehörigen, sondern auch die Ärzte sind oft überfordert, weil sie gerontopsychiatrisch zu wenig qualifiziert sind.

 

Hinsichtlich des Lebensstandards alter Menschen lässt sich feststellen, dass 11,4% der über 65jährigen von Altersarmut bedroht sind. Deren Anzahl wird sich im Kreis Limburg Weilburg bis 2020 um weitere 10% erhöhen.


Handlungsbedarf für die Zukunft

 

Welche Schlussfolgerung und Handlungsbedarf ergibt sich daraus:

„Dass wir älter werden, daran lässt sich nichts ändern, - aber wie wir älter werden, das lässt sich schon beeinflussen. Entscheidend ist also,

  • möglichst „gesund" und kompetent alt zu werden,
  • eine Selbständigkeit und Unabhängigkeit möglichst lange zu erhalten,
  • eine Lebensqualität auch in der letzten Lebensphase zu sichern
  • und das Altern in Würde zu gestalten.

Altern muss daher auch nicht Abbau und Verlust bedeuten, sondern kann in vielen Bereichen, Zunahme von Kompetenzen und Potenzialen, und damit eine Chance für den Einzelnen und die Gesellschaft sein!


Die Erhaltung der Gesundheit bleibt ein vorrangiges Ziel.
In Senioren-Ratgebern wird beispielsweise geworben: „Trainieren Sie Ihre grauen Zellen", „unterstützen Sie Ihr Gehirn- Jogging mit körperlichem Training", „pflegen Sie soziale Kontakte", „bauen Sie Risikofaktoren (Bluthochdruck, Übergewicht, Stress) ab", „ernähren Sie sich gesund" - so beugen Sie einem Vergessen vor „Hier wird an die Eigenverantwortung im Hinblick auf einen möglichst gesunden Lebenswandel appelliert. Körperliche Bewegung und gesunde Ernährung, aber auch geistiges Training, ist für ein Altwerden bei Wohlbefinden sehr wichtig.

 

Und die Kommune muss Möglichkeiten für diese Aktivitäten bereitstellen, sollte zu vielseitigen Aktivitäten motivieren und entsprechende Beratung anbieten.

Dann könnte man z.B. auch Konzepte der Dorfentwicklung überdenken - von der Verkehrsführung bis hin zu Sportstätten und Freizeitmöglichkeiten auch für Ältere.

 

Man muss sich auch Gedanken über die Erreichbarkeit von Einkaufsmöglich-keiten, Arztpraxen, von Volkshochschulen und Sportstätten machen. Mobilität ist ein wichtiges Kriterium, um an der Gesellschaft teilzuhaben. Es wäre demnach zu eruieren, wie viel alte Menschen auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen und wie ein bedarfgerechtes Angebot für alte Menschen geschaffen werden kann. Es stellt sich auch die Frage, wie fehlende Mobilität kompensiert werden kann, beispielsweise durch die Bereitstellung eines Bürgerbusses oder eines vernetzten Fahrdienstes. Wie können Angebote vor Ort geschaffen werden, ist eine weitere Überlegung wert.

 

Wir sollten aber auch über den entsprechenden Ausbau von Beschäftigungs- und Weiterbildungsmöglichkeiten nachzudenken (und hier Ältere in die Programm-gestaltung mit einzubeziehen).- Wohnungsplanung (Wohnungsausstattung) und Wohnumfeld sollte auf die veränderte Bevölkerungsstruktur und deren Bedürfnisse Rücksicht nehmen. Insbesondere für demenzkranke Senioren muss über Konzepte nachgedacht werden, die im Grunde genommen eine möglichst selbständige Wohn- und Lebensweise ermöglichen.

 

Ein Erhalt der Selbständigkeit bei der alltäglichen Lebensführung ist heute - in unserer alternden Gesellschaft - notwendiger als je zuvor. Wie muss der Haushalt eingerichtet sein, um auch bei leichter Verwirrtheit eine Sicherheit zu garan-tieren? Es gilt, Wohnmodelle zu entwickeln, z.B. betreute Wohngemeinschaften, evtl. auch für Demenzkranke. Die Kommune könnte den Aufbau eines sozialen Netzwerks Nachbarschaft anstoßen.

 

Der Kreis Limburg Weilburg bietet beispielsweise durch einen seiner Mitarbeiter Wohnberatung für Senioren an. Naheliegend wäre es somit, zunächst vor Ort den Bedarf zu klären und ein entsprechendes Angebot in Beselich zu unterbreiten. Wir könnten uns auch vorstellen, an einem Seniorenratgeber, der auf die Situation von Beselich zugeschnitten ist, mitzuarbeiten.

 

Wenn man mit Menschen der gleichen Generation reden will, muss man sich außerfamiliäre Kontakte aufbauen! Dies stellt eine Herausforderung für Vereine und sonstige Organisationen dar. Sozialkontakte unterschiedlicher Form und Intensität gehören zu einer Lebensqualität im Alter dazu, denn wer einsam und zurückgezogen lebt, hat als Rentner ein höheres Risiko, an Demenz zu erkranken." Sozialkontakte fordern heraus, regen an und trainieren so auch die grauen Zellen. Es gilt also auch hier, die Angebote in der Kommune auszubauen.

 

Mitverantwortung in unserer Gesellschaft kann die Lebenzufriedenheit der Menschen stärken. Altere Menschen sollten daher als aktive und kompetente Bürgerinnen und Bürger noch mehr angesprochen und eingebunden werden.

So können sich ältere Menschen zum Beispiel an der Erziehung und Bildung der jungen Generation beteiligen. Aber auch für die eigene Weiterbildung sollte den älteren Menschen ein adäquates Angebot bereitgestellt werden.

 

Die konkrete Umsetzung dieser Vorschläge sollte sich unseres Erachtens in parteiübergreifenden Arbeitskreisen vollziehen. Langfristig sollte zudem eine Koordinierungsstelle für Seniorenarbeit etabliert werden.